Test : Hellwig Milos V630 Cabin Elektro – Mit dem Strom
Ralf Marquard
· 22.10.2022
Auf den diesjährigen Herbstmessen hörte man bei fast jeder Presseveranstaltung etwas zum Thema „E-Mobilität auf dem Wasser“. Viele Werften konstruieren oder erproben noch Boote mit Elektroantrieben, aber einige präsentierten die fertigen Modelle bereits auf dem Messestand. So auch die Hellwig Bootsmanufaktur mit ihrer Milos V630 Cabin Elektro auf der Friedrichshafener Messe. Wir haben das Boot allerdings schon im August dieses Jahres auf der Schnellfahrstrecke der Maas bei Roermond gefahren. Ich bin neugierig, denn ein normales Sportboot, das rein elektrisch unterwegs ist und schnelle Gleitfahrt macht, fahren wir recht selten.
Das Fahrverhalten ist gleitertypisch
Wir kommen mit Werftchef Michael Hammermeister an der Slipanlage an und lassen die Elektro-Hellwig ruck, zuck zu Wasser. Dann setzt er sich an den Fahrstand und schaltet die Einheit am Bedienteil (7-Zoll-Touch-Display) ein, und schon kann es losgehen: Wir legen unter leisem Säuseln ab und nehmen in Verdrängerfahrt Kurs auf die Maas. In diesem Modus verhält sich das Boot wie seine Verbrenner-Schwestern: Es giert gleitertypisch etwas und sollte möglichst wenig korrigiert werden, damit man nicht über das Ziel hinausschießt. Die Schnellfahrstrecke kommt in Sichtweite, bald ist es so weit. Wir machen erst mal die Fahrfotos, und dafür soll die Milos V630 natürlich gleiten. Deshalb legt der Werftchef den Hebel auf den Tisch, und das Testboot kommt umgehend in Gleitfahrt.
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Die späteren Messfahrten zeigen, dass die Milos Elektro bei 3000 U/min bereits mit fast 40 km/h zügig unterwegs ist. Das Motor-Überwachungsdisplay zeigt eine Leistung von 76 kW, daraus errechnet sich ein Verbrauch von 1,91 kWh/km. Einen kleinen Tick sparsamer läuft die Milos bei 54,1 km/h mit 1,89 kWh/km. Bei der maximalen Drehzahl von 5000 U/min erreichen wir stolze 80,0 km/h, der Blick auf das Display zeigt dann einen Wert von 192 kW. Wie geht denn das? Der Motor hat doch nur eine Leistung von 125 kW. Das ist die sogenannte Boosterfunktion, die dem Motor noch mal einen ordentlichen Leistungsschub gibt. Eine Funktion, die dem Motor laut Auskunft des Herstellers (Aqaforce) in dieser Boot-Antriebs-Konstellation problemlos abzuverlangen ist.
”Long Range”-Modus regelt die Reichweite
Wie sieht es denn nun mit den Reichweiten aus? Das bekomme ich erst am Ende meiner Testfahrt genau mit, denn plötzlich regelt das System ab, und es sind bei 25 % Akku-Ladung nur noch Drehzahlen von unter 3000 U/min möglich. Dann erscheint auf dem Display „Long Range“. Das heißt, ab hier kann man nur noch langsam fahren. Eine Einstellung, die der Fachmann auch umprogrammieren kann. Für diese Bootskonstellation hat man auf jeden Fall die sichere Variante gewählt, denn mit angepasster Verdrängergeschwindigkeit (um 9 km/h) erhöht sich die Reichweite enorm. In unserer Testkombination ist noch eine weitere Stufe programmiert: Ab 15 % fährt das Boot noch maximal 8 km/h. Was bedeutet die 25-%-Grenze für unsere Gleitfahrtreichweite? Bei 54,1 km/h kommt die Fahrgemeinschaft 32,2 km weit, bevor die Regelung auf „Long Range“ umschaltet. Das ist beispielsweise auf dem Bodensee locker die Strecke von Friedrichshafen nach Romanshorn und wieder zurück. Natürlich sind die Reichweiten wesentlich geringer als mit einem Verbrennungsmotor. Wenn wir beispielsweise die Werte aus BOOTE 2/20 mit einem 4,5-l-Mercury-Innenborder nehmen, errechnet sich bei 53,4 km/h eine Reichweite von knapp 230 km.
Messergebnisse:
Zurück zur Elektro-Ausführung: Beim Manövrieren, in schnellen Kurven und bei Slalom sowie beim Verreißen der Lenkung zeigt sie das gleiche Verhalten wie die anderen V630-Geschwister. Die Elektro-Variante fährt leiser, aber ein Fahr- und Antriebsgeräusch ist hier natürlich ebenfalls zu hören. Gelenkt wird über eine Hydraulikeinheit und die Motordrehzahl über eine elektronische Bedieneinheit geregelt. Bei Letzterer muss man zum Starten (vorwärts und rückwärts) einen Sicherheitsknopf drücken. Manko: Ein Quickstop fehlt (soll nachgerüstet werden).
Der Komfort an Bord hält mit den anderen Varianten mit, allerdings ist in der Kabine keine Koje installiert, sondern es gibt zwei Akku-Packs. Die anderen Akkus findet man zusammen mit Motor, Regler und Ladeeinheit (3x 3 kW, 230 V und 400 V) im sauber installierten Motorraum unter der bequemen Sonnenliege.
Die Hellwig Milos V630 Cabin Elektro lässt sich wie ein normales Sportboot fahren. Bei den Reichweiten muss man sich neu orientieren und ggf. auf die langsame Gangart umschalten. Besonders gut gefällt die Programmiermöglichkeit der Fahrstufen.
Das Testvideo
Technische daten.
- Werft: Hellwig (Deutschland)
- Typ: Milos V630 Cabin Elektro
- CE-Kategorie: C/7 Personen
- Rumpf und Deck: Kunststoff
- Länge über alles: 6,30 m
- Breite: 2,20 m
- Leergewicht: ab 1400 kg
- Tiefgang: 0,80 m
- Durchfahrtshöhe: 1,24 m
- Batteriekapazität: 81 kWh
- Freibord: 0,69 m
- Cockpitseitenhöhe innen: 0,78 m
- Cockpitgröße: 2,65 m x 1,74 m
- Listenpreis: 174.900 €
- Werft: Hellwig Bootsmanufaktur, Sittarder Straße 1, D-41812 Erkelenz, www.hellwig-bootsmanufaktur.de
- Hersteller: Aqaforce (Deutschland)
- Leistung: 125 kW
- Volllastdrehzahl: 5000 U/min
- Nennspannung: 335 Volt
- Motorgewicht: 73 kg
- Z-Antrieb: Alpha One mit Black Max 23“ Prop.
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